Obwohl Marc Rich in den 1970er-Jahren mit einer Handvoll Partnern das Kartell der Ölmultis zerschlug und zum Milliardär wurde, blieb er weiterhin der große Unbekannte der Weltwirtschaft. Mit der Diskretion des „King of Oil“ ist es wegen des lukrativen Börsengangs von Glencore vorbei.
Von Daniel Ammann
Diskretion – beruflich wie privat – war immer mit das Wichtigste im Leben von Marc Rich. So blieb der heute 76-Jährige, in Antwerpen als Sohn deutschsprachiger Juden geboren, der große Unbekannte der Weltwirtschaft – und das, obwohl er in den 1970er-Jahren mit einer Handvoll Partnern das Kartell der Ölmultis zerschlug und zum Milliardär wurde.
Mit der Diskretion des „King of Oil“, wie er genannt wird, ist es jetzt allerdings vorbei. Seine im Jahr 1974 als „Rich & Co.“ gegründete Firma, der heute als Glencore bekannte Rohstoffkonzern, will an die Börse gehen. Vielleicht schon in ein paar Monaten, sagen Glencore-Manager, die nicht namentlich genannt werden möchten. Die Titel sollen an den Börsen von Hongkong und London gehandelt werden. Nach Schätzungen von Analysten könnte der Teilbörsengang sieben bis zehn Milliarden Dollar einbringen.
Firmengründer Rich, obwohl vor Jahren im Streit mit seinem Management ausgeschieden, macht Werbung für seine alte Firma. Es seien die besten Leute der Branche, sagt er in einem Interview des Schweizer Magazins „Weltwoche“. Er werde Glencore-Aktien kaufen. Ideal sei der Börsengang in dem verschwiegenen Rohstoffgeschäft aber nicht. „Für den Erfolg solcher Geschäfte ist Diskretion entscheidend“, sagt er. Aber „vermutlich hat Glencore gar keine andere Wahl“. Mit frischem Geld lasse sich Wachstum finanzieren und für Manager sei es leichter, sich auszahlen zu lassen.
Rich macht Geschäfte frei von ethischen Vorbehalten
Dass Rich öffentlich spricht und Glencore die Bücher öffnen will und mehr über die Geschäftstätigkeiten preisgeben will als heute, ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel. Denn der Wert der Firma wird nur geschätzt, auf 60 Milliarden Dollar, und Ivan Glasenberg, Glencores CEO und mehrfacher Milliardär, schafft es seit Jahren, nicht in den einschlägigen Listen der reichsten Menschen zu erscheinen. Zudem fußt das äußerst lukrative Geschäftsmodell darauf, heikle Waren von heiklen Verkäufern an heikle Käufer zu liefern.
So machte Rich, frei von ethischen Vorbehalten, Geschäfte mit Diktatoren und Demokraten, mit Kommunisten und Kapitalisten, mit Mullahs und Faschisten. Er handelte mit dem Schah von Persien ebenso wie mit Spaniens faschistischem General Franco, mit Fidel Castros Kuba oder mit Ajatollah Khomeinis Iran. Vor allem aber brachte Rich – gegen eine schöne Risikoprämie – Länder zusammen, die öffentlich behaupteten, keine Beziehungen zu unterhalten.
1994 war dann aber Schluss mit diesen Geschäften. Rich verkaufte die Firma an das heutige Management, das ihn arg unter Druck gesetzt hatte. „Ich war schwach. Die anderen bemerkten das und nutzten es aus. Sie hielten mir das Messer an den Hals“, erzählt Rich. Die Gründe für seine Schwäche sieht er vor allem in der Anklage in den USA und in der weltweiten Verfolgung durch die amerikanische Justiz. Weil ihm sein Lebenswerk wichtig war, verkaufte er die Firma zu einem Schnäppchenpreis von 600 Millionen Dollar an seine Mitarbeiter.
Der Autor hat die Marc-Rich-Biografie „King of Oil“ geschrieben.
Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/koepfe/marc-rich-der-grosse-unbekannte;2741839