Warum Schweizer Erdölhändler die Finger von Iran lassen

NZZlogDas amerikanische Embargo gegen iranisches Erdöl hat keine rechtliche Grundlage in der Schweiz und in der EU. Dennoch wollen sich Schweizer Rohwarenhändler daran halten. Der Arm der USA ist lange.

Gerald Hosp

Ab dem 5. November gelten die amerikanischen Sanktionen, die den Kauf von iranischem Erdöl, Erdölprodukten oder von petrochemischen Produkten untersagen. Dadurch will Washington die grösste Einkommensquelle Teherans unterbinden. Zudem gehen die USA gegen Geschäftsverbindungen mit dem iranischen Finanzsystem vor. Von den Massnahmen sind auch nicht-amerikanische Unternehmen betroffen. Die EU möchte das Nuklearabkommen mit Iran retten und versucht, europäische Firmen dazu zu animieren, an Geschäften mit Iran festzuhalten. Auch in der Schweiz haben die amerikanischen Sanktionen keine direkte rechtliche Wirkung. Grosse Erdölhändler, die zum grossen Teil aus der Schweiz heraus operieren, wollen jedoch kein Risiko eingehen und halten sich an die Vorgaben aus Washington.

Verknüpftere Märkte

Vertreter der bedeutenden Rohwarenhändler Glencore, Trafigura, Vitol und Gunvor geben auf Anfrage allesamt an, den amerikanischen Sanktionen Folge zu leisten, auch wenn es von Bern oder Brüssel nicht vorgeschrieben wird. Die EU hat gar eine Verordnung eingeführt, die als «blocking statute» bekannt ist. Diese untersagt im Grunde EU-Unternehmen, sich an die Sanktionen der USA zu halten. Zudem erwägen einige EU-Mitgliedstaaten und die Brüsseler Kommission den Einsatz einer Spezialgesellschaft, mit deren Hilfe Geschäfte mit dem Iran abgewickelt werden sollen, ohne den amerikanischen Finanzmarkt zu benutzen.

Für die Erdölhändler sind die EU-Massnahmen, die vor allem kleineren Akteuren helfen sollen, Papiertiger. Es liesse sich theoretisch ein lokaler Abnehmer von iranischem Erdöl in Griechenland oder der Türkei ohne Geschäftsverbindungen zu den USA vorstellen, heisst es von einem der Händler. Dies sei aber unwahrscheinlich.

Verlockend könnte sein, dass das iranische Öl mit einem Abschlag zum Weltmarktpreis gehandelt wird. Rohwarenhändler sind bekannt dafür, Risiken einzugehen. Und auch Geschäfte mit dubiosen Partnern sind ihnen nicht fremd. Als Beleg dafür gilt immer noch der legendäre Rohwarenhändler Marc Rich, der, in der Schweiz domiziliert, amerikanische Sanktionen gegen Iran in den 1980er Jahren unterlaufen und auch Geschäfte zwischen den Erzfeinden Israel und Iran eingefädelt hatte. Glencore und Trafigura sind von «Schülern» von Rich gegründet worden. Auch bei den von der EU und den USA angeführten Sanktionen gegen Iran zwischen 2012 und 2015 hatte es hier und da Berichte gegeben, Händler hätten gegen Sanktionsbestimmungen verstossen. Grössere Fälle sind jedoch nicht bekannt geworden.

Die Hasardeure unter den Händlern sind weniger geworden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Rohwaren- und Finanzmärkte transparenter und verknüpfter geworden sind. Die USA spielen zudem bei den Sanktionen vor allem ihre grösste Trumpfkarte aus: die weltweite Dominanz des Dollars und des amerikanischen Finanzplatzes. Selbst wenn keine direkten Geschäfte mit den Vereinigten Staaten gemacht werden, wird der Erdölhandel weltweit weitgehend in Dollars abgewickelt.

Zudem ist der Ölhandel kapitalintensiv. Die Unternehmen sind auf mitunter milliardenschwere Kreditzusagen von einer Vielzahl an Finanzinstituten angewiesen. Banken und Versicherungen können es sich nicht erlauben, vom amerikanischen Finanzplatz wegen Iran-Geschäften ihrer Kunden ausgeschlossen zu werden. Die Rohstoffhändler unterliegen auch unmittelbaren Risiken: Die Wucht der US-Sanktionen musste vor kurzem der russische Konzern Rusal, einer der grössten Aluminiumproduzenten der Welt, erfahren. Die Ankündigung von Primär- und Sekundärsanktionen hatte zunächst einen rasanten Wertverlust an der Börse zur Folge.

Begrenzte Ausnahmen

Washington kündigte am Freitag an, acht Ländern Ausnahmen zu gewähren. Darunter dürften sich laut Medienberichten Südkorea, Japan und Indien befinden. Daneben zählen noch China, die Türkei, Frankreich und Italien zu den grössten Abnehmern iranischen Rohöls. Mit Sondergenehmigungen hatte bereits die US-Regierung unter Präsident Obama bei den früheren Sanktionen agiert. Die Anzahl der jetzigen Ausnahmen erstaunt jedoch, weil Präsident Trump bisher eine harte Haltung gegenüber Teheran eingenommen hatte. Zudem sagten amerikanische Regierungsvertreter am Freitag, das Embargo aggressiv durchsetzen zu wollen. In der Erdölbranche wird diskutiert, ob die USA einen Regimewechsel in Iran anstreben, was auf langanhaltende Massnahmen hindeuten würde.

Die USA stehen vor dem Dilemma, dass bereits die Ankündigung der Sanktionen die Erdölpreise steigen liess. Norbert Rücker, Erdölexperte bei der Bank Julius Bär, geht davon aus, dass eine zusätzliche Preiserhöhung wegen der Sanktionen gegen Iran kurzlebig sei. Erstens belasten steigende Notierungen das Nachfragewachstum, zweitens werden die Anreize erhöht, das Embargo zu umgehen. Dabei ist vor allem das Verhalten der Grossabnehmer China und Indien entscheidend, die bereits bei früheren Sanktionen Wege gefunden haben, durch Zahlungen in Lokalwährungen oder durch Tauschhandel iranisches Erdöl zu importieren. Russland liess bereits verlauten, Teheran als Vermittler von Erdölgeschäften zu unterstützen.

Die in der Schweiz domizilierten Erdölhändler zeigen sich auch angesichts der Sondergenehmigungen vorsichtig. Die Ausnahmen seien limitiert, heisst es von einem Unternehmen in Genf. Zunächst müssten die Details geklärt werden. Fraglich ist auch, ob sich Finanzinstitute finden lassen, irgendwelche Geschäfte mit Iran zu finanzieren. Die Handelsunternehmen möchten auch nicht das Risiko eingehen, durch einen möglichen Fehler in das Visier der amerikanischen Behörden zu geraten.

Quelle: https://www.nzz.ch/wirtschaft/schweizer-erdoelhaendler-lassen-die-finger-von-iran-ld.1432634

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