Glencore: Der mächtigste Rohstoff-Händler geht an die Börse

Groß, mächtig, undurchsichtig: Der Schweizer Gigant Glencore, bislang ein Gewinn-Garant, geht an die Börse. Die Geschichte des weltweit tätigen Rohstoffriesen dominieren schillernde Figuren.

In Baar, zwischen Albis und Zugerberg, lädt die Landschaft zum Spazierengehen ein: Man findet grüne Wiesen, malerische Wälder, schmucke Riegelfachwerkhäuser. Zum See ist es nicht weit. Dort, im Niedrigsteuer-Kanton Zug, steht in der Gewerbezone auch ein unscheinbarer Bürobau. Hinter den weißen Mauern der Baarmattstraße 3 ist die Zentrale des größten Schweizer Konzerns, Glencore. Mit einem Umsatz von rund 145 Milliarden Dollar lässt er sogar den Lebensmittelriesen Nestlé und den Pharmakonzern Novartis hinter sich.

Kommende Woche werden die Aktien des Riesen das erste Mal in Großbritannien an der Börse gehandelt. Der Börsengang wirkte wie ein Spaziergang: Trotz Kursrutsch an den Rohstoffmärkten war die Nachfrage sehr hoch. Für die Londoner Stock Exchange ist es der bislang größte Börsengang. Auch in Hongkong sollen die Aktien künftig notieren.

Mit dem IPO beginnt für Glencore ein völlig neues Kapitel. Denn bislang hat der Gigant aus fast allen Geschäften ein Geheimnis gemacht, weltweit gibt es kaum einen verschwiegeneren Konzern dieser Größenordnung. Es gab kaum Interviews mit Managern, nur wenige durften einen Blick hinter die Kulissen des Konzerns werfen, der zu Weihnachtsfeiern Stars wie Sting, Pink oder Bryan Adams einflog.

Transportflotte und Farmen

Glencore dreht ein großes Rad: Bei Metallen wie Zink, Kupfer, Blei und Aluminium gilt der Konzern als weltgrößter Händler. Mehr als 2.700 Trader handeln für den Multi mit Rohstoffen. Zudem werden Bodenschätze wie Kupfer, Kobalt, Nickel, Zink und Aluminium abgebaut, auch in Weltgegenden, in denen es weniger beschaulich zugeht als in der Schweiz. Glencore organisiert Transporte mit 170 eigenen Öltankern. Farmen mit 270.000 Hektar Grund – das ist in etwa die Größe Vorarlbergs – gehören der Firma. Glencore ist zudem an mehreren börsennotierten Konzernen beteiligt. Allein der Anteil von 34 Prozent am Bergbaukonzern Xstrata ist rund 25 Milliarden Dollar wert. Die 65 leitenden Manager kassierten zusammen im Vorjahr 1,08 Milliarden Dollar – im Schnitt also 16,6 Millionen pro Personen.

Für Kritiker ist Glencore ein Paradebeispiel für den Raubtierkapitalismus nach dem Motto „Alles geht“. Auch an der Preisexplosion für gewisse Rohstoffe wird den Schweizern immer wieder die Schuld gegeben.

Milliardäre an der Spitze

Es sind drei Männer, die Glencore besonders prägten – alle sind heute Milliardäre: Marc Rich, Ivan Glasenberg und Willy Strothotte.

Der erste, Marc Rich, ist schon zu Lebzeiten eine Legende. Der heute 77-Jährige verschrieb sich dem Öl und handelte mit Islamisten, Marxisten und Kommunisten. Er kaufte dem Iran trotz Embargo Öl ab und verkaufte es nach Israel. Er belieferte das Apartheid-Regime Südafrikas. „Das Geschäftsgeheimnis von Rich liegt auch darin, in sehr heiklen Weltgegenden sehr heiklen Regimen sehr gefragte Dienstleistungen anbieten zu können“, sagt Daniel Ammann, der im Buch „King of Oil“ das Leben des Geschäftmanns schildert.

Auf Öl hatte sich der in Amsterdam Geborene in den 70er-Jahren spezialisiert, mit Partnern gelang es ihm, ein Kartell der Ölkonzerne aufzubrechen. 1974 gründete Rich in der Schweiz eine Handelsfirma für seine Ölgeschäfte.

1981 beginnen die US-Behörden gegen Rich zu ermitteln. Wegen Steuerschulden wurde er gesucht, jahrelang stand er auf der Liste der „Most Wanted Fugitives“ des FBI. Agenten und Kopfgeldjäger versuchten, ihn aus der Schweiz zu entführen. 325 Jahre Gefängnis wurden Rich angedroht. Am letzten Amtstag von Präsident Bill Clinton wurde Rich 2001 begnadigt – manche behaupten, dass eine großzügige Spende an die Demokraten dabei half.

Mitte der 90er-Jahre zog sich Rich aus seiner Firma zurück. Nach einem Streit wurden die Anteile an das Management verkauft, aus Rich + Company wurde Glencore. Knapp 500 Personen gehört die Firma seit damals.

Geher und Steher

Mit dem Börsengang wird Ivan Glasenberg, dessen Anteile knapp zehn Milliarden Dollar wert sind, einer der reichsten Männer Europas. Der 54-jährige Südafrikaner mit Schweizer Pass arbeitet seit 25 Jahren bei Glencore. Er fing als Trader im Kohlehandel an, seit knapp zehn Jahren leitet er den Konzern. In seiner Jugend war Glasenberg Spitzensportler im Gehen. 20 Kilometer schaffte er in knapp 90 Minuten.

Sein Vorgänger als CEO war der 67-jährige Deutsche Willy Strothotte. Er formte das Unternehmen vom Handelshaus zu einem der weltgrößten Minenbaukonzerne. 2001 wechselte der Westfale, der Mitte der 60er-Jahre auch in Österreich arbeitete, in den Verwaltungsrat. Mittlerweile ist der Golfer und Liebhaber schneller Boote mehr in der Karibik zu finden, denn an der Spitze des Aufsichtsrats wurde er kürzlich von Simon Murray abgelöst. Murray ist auch jemand, der hart im Nehmen ist: Der 71-Jährige war Söldner der französischen Fremdenlegion in Algerien, in einem Interview erzählte er von einem Marsch mit abgeschnittenen Köpfen im Rucksack. Mit 64 Jahren wanderte er als ältester Mensch in 58 Tagen ohne Hilfsmittel 1.200 Kilometer zum Südpol.

Glasenberg und Murray werden künftig Steherqualitäten brauchen, denn Glencore steht seit Bekanntwerden des Börsengangs verstärkt in der Kritik von Nichtregierungsorganisationen. Bei den Vorwürfen geht es etwa um Manipulationen in Sambia, wo Glencore Hauptaktionär der Kupfermine Mopani ist. Trotz hoher Kupferpreise seien immer nur Verluste ausgewiesen und daher kaum Steuern in einem der ärmsten Länder Afrikas gezahlt worden. Weiterer Vorwurf: Die Mine sei für Wasserverschmutzung in einer Region, in der fünf Millionen Menschen leben, verantwortlich. In anderen Ländern soll Glencore ähnlich unsanft aufgetreten sein.

Abu Dhabi kauft

Trotz der Kritik ist das Interesse der Investoren am Rohstoffriesen groß. Staatsfonds aus Abu Dhabi und Singapur haben bereits Papiere geordert. Aabar (Abu Dhabi) gibt bis zu einer Milliarde Dollar für Glencore aus. „Das Investment passt zu unserer Anlagephilosophie und den Partnerschaften mit Marktführern“, so Aabar-Vorsitzender Khadem Abdulla Al Qubaisi, der auch im OMV-Aufsichtsrat sitzt. Mit dem Geld aus dem Börsengang will Glencore seine Beteiligung am Minenkonzern Kazzinc ausbauen und für neue Übernahmen gerüstet sein.

Nicht nur die Scheichs, auch Analysten halten viel von den Glencore-Papieren, denn das Unternehmen erwirtschaftete in den vergangenen 15 Jahren immer Gewinne. Doch sie orten auch die Gefahr von Blasen: Aktionäre müssen wohl eher mit einer Achterbahnfahrt als mit einem Spaziergang rechnen.

– Miriam Koch

Quelle: http://www.format.at/articles/1120/525/297414/glencore-der-rohstoff-haendler-boerse

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