“Minuziöse Recherche”

Über den erfolgreichen Rohstoff–händler Marc Rich wurde in den vergangenen Jahren viel und oft geschrieben. Doch wer der einflussreiche Erdöl-Tycoon wirklich ist, blieb ein Geheimnis, denn vom medienscheuen Lebemann wurde letztmals vor 25 Jahren eine Biografie veröffentlicht. Dem Journalisten Daniel Ammann gelang es dank wiederholten Treffen mit Rich, etwas Licht in die von Gerüchten, Mutmassungen und Halbwahrheiten reiche Geschichte vom legendären Rohstoffhändler zu bringen.

gvm. nzz Die seit Mitte August erhältliche deutsche Fassung des Buches (die englische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel «The King of Oil. The Secret Lives of Marc Rich») offenbart eine facettenreiche Person, die gegen Widersprüche nicht gefeit ist.

Als Kind musste der belgische Jude Marcell Reich 1938 vor den Nazis in die USA fliehen, wo er sich dank Zielstrebigkeit, Ehrgeiz und Arbeitsamkeit bis ganz nach oben arbeitete. Vorläufiger Höhepunkt war sein Verdienst, das Kartell der grossen Erdölkonzerne geknackt und dem Handel mit Erdöl, wie man ihn heute kennt, zum Durchbruch verholfen zu haben. Rich gilt als Erfinder des Spotmarkts im Erdölhandel. So atemberaubend wie der Aufstieg zum «King of Oil» war Richs Niedergang, als er wegen Steuervergehen und des Handels mit Iran für die USA zum Staatsfeind, «Prince of Darkness», wurde und 1983 in die Schweiz flüchtete. Erst Anfang 2001, an US-Präsident Bill Clintons letztem Arbeitstag, wurde Rich begnadigt. Verurteilt wurde er nie.

Die detailliert recherchierte, mit umfangreichen Quellenangaben begleitete Biografie gibt Einblick in die schillernde Persönlichkeit einer Person, die einerseits ehrgeizig und skrupellos sein konnte, anderseits auch über hohe Begabung, Verschwiegenheit und Hartnäckigkeit verfügt. Ebenso interessant wie persönliche Aspekte des Porträtierten sind die Passagen über das Milliardengeschäft im Handel mit Rohstoffen und darüber, wie stark es sich im Lauf der Zeit gewandelt hat. Richs Erfolgsmodell überlebte in der Strategie von Glencore International, dem von Partnern kontrollierten, weltgrössten Rohstoffhändler, der in Zug residiert.

Trotz minuziöser Recherche bleibt der «wahre» Marc Rich hingegen auch nach der Lektüre des unterhaltsamen Buchs verborgen. Kritiker dürften einwenden, dass Rich zu gut wegkomme. Am Ende des Buchs kann sich der Leser indessen ein eigenes Bild vom Phänomen Marc Rich machen, an dessen Prosperität die Schweiz noch heute indirekt partizipiert.

Neue Zürcher Zeitung

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