Der mächtigste Manager der Schweiz

Willy Strothotte ist heute in der Schweiz weitgehend unbekannt. Das ist kein Zufall. Wer aber ist der Nachfolger des legendären Rohstoffhändlers Marc Rich, dessen Konzern Glencore mit der gewollten Intransparenz allmählich ein Problem bekommt?

Von Markus Diem Meier

Daniel Vasella kennt man in der Schweiz, auch Peter Brabeck. Nicht so Willy Strothotte. Dabei ist er der Chef eines Schweizer Unternehmens, das einen Umsatz von rund 150 Milliarden generiert. Das ist so viel wie Novartis und Nestlé zusammen. Strothotte ist der starke Mann von Glencore, jenem Rohstoffunternehmen mit Hauptsitz im zugerischen Baar, das einst vom legendären Marc Rich gegründet wurde.

Heute amtet Strothotte dort als Verwaltungsratschef und ist mit einem Anteil von geschätzten 10 Prozent dessen grösster Eigentümer. Ausserdem sitzt der Deutsche im Verwaltungsrat des berühmt-berüchtigten Private-Equity-Konzerns Kohlberg Kravis Roberts KKR und präsidiert jenen des britisch-schweizerischen Bergbaukonzerns Xstrata. Glencore hält mit 34,4 Prozent den grössten Anteil an diesem Unternehmen.

Verschwiegenheit als oberstes Gebot

Der Deutsche schätzt Verschwiegenheit über alles. Er gibt keine Interviews und tritt nie öffentlich auf. Auch auf der Website von Glencore findet sich kein Bild von ihm. Der Hauptsitz des Unternehmens in Baar bei Zug ist noch nicht einmal mit einem Firmenlogo versehen. Die Scheiben sind getönt. Selbst drinnen fehlen laut Berichten von Besuchern Hinweistafeln selbst im Fahrstuhl. Auf den Visitenkarten der Glencore-Beschäftigten sucht man vergeblich nach einem Hinweis auf ihre Funktion.

Glencore ist nicht an der Börse kotiert. Noch nicht. Es gehört seinen rund 450 Spitzenmanagern. Der Name steht für «Global Energy Commodity and Resources». Mit seinen über 40 Ländern verteilten rund 52’000 Mitarbeitern hat der Konzern 2008 mehr als 150 Milliarden Franken umgesetzt. Die Zahlen für 2009 liegen noch nicht vor. Novartis hat es damals auf 41 Milliarden gebracht, Nestlé auf knapp 110 Milliarden Franken.

Strippenzieher der Rohstoffmärkte

Was über Glencore bekannt ist, macht einerseits Eindruck, hat aber auch etwas Beunruhigendes: Das Unternehmen hat auf die Rohstoffmärkte einen Einfluss wie kaum ein anderes Unternehmen: Von der Herstellung über die Finanzierung, den Handel bis zum Transport ist es in diesem strategisch wichtigen Bereich weltweit tätig. Glencore dominiert den Erdölhandel. Es handelt aber unter anderem auch mit Kohle, Zink, Kobalt, oder Platin und mit Nahrungsmitteln wie Reis, Zucker oder Saatgut.

Auf fünf Kontinenten besitzt das Unternehmen Bergwerke. Strategische Beteiligungen verbinden es mit weiteren Rohwarenkonzernen wie dem russischen Aluminiumkonzern Rusal und dem ebenfalls im Kanton Zug beheimateten Bergbaukonzerns Xstrata. Wegen seiner Macht im Rohstoffbereich steht das Unternehmen immer wieder im Verdacht, die Märkte zu manipulieren und die Sanktionen gegen geächtete Staaten zu unterlaufen. Dem Unternehmensgründer Marc Rich haben in den USA einst 325 Jahre Gefängnis gedroht. Die Amerikaner wollten ihn sogar in der Schweiz kidnappen. 2001 wurde er unter mysteriösen Umständen vom damaligen Präsidenten Bill Clinton begnadigt.

Ein Vermögen von 3 bis 4 Milliarden Franken

Richs Nachfolger Strothotte sticht auch mit seinem Vermögen die meisten anderen Schweizer Wirtschaftsführer bei weitem aus: Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schätzt seinen Besitz auf 3 bis 4 Milliarden Franken. Angefangen hat er als enger Vertrauter und zuletzt als rechte Hand von Marc Rich. Doch 1992 wurde er von diesem nach strategischen Differenzen in die Wüste geschickt. Strothotte erwies sich in diesem Machtkampf allerdings als Sieger. Wie Daniel Ammann in seiner Biografie von Marc Rich schreibt, hat ihn dieser wieder zurückgebeten, ihm die Macht übertragen und sich selber aus dem Unternehmen zurückgezogen.

In jüngster Zeit weht am Hauptsitz in Baar ein härterer Wind. Schon die wenigen Zahlen, die Glencore bekannt gibt, weisen darauf hin. Im ersten Halbjahr 2009 ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr beinahe um die Hälfte eingebrochen. Standard & Poors hat das Rating von Glencore auf BBB- zurückgestuft, nicht mehr weit vom Junk-Status entfernt. Ende des letzten Jahres sind die Risikoprämien auf 10-Jahresanleihen des Konzerns auf fast 33 Prozent gestiegen, normalerweise lagen sie bei knapp 5 Prozent. Die Geldgeber sorgten sich um ihr geliehenes Geld.

Die Intransparenz wird zum Problem

Jetzt wird die Intransparenz für Glencore ein Problem, denn sie erhöht die Kosten für das Kapital und die dringend benötigte Liquidität. Ohne sie geht im Handelsgeschäft nichts. Bereits hat der Konzern eine Wandelanleihe herausgegeben. Sie wird entweder, wie jede Obligation, zurückbezahlt oder kann Ende 2014 in Aktien getauscht werden. Doch dazu muss das Unternehmen an der Börse kotiert sein.

Ein Börsengang könnte sich auch als einzige Möglichkeit erweisen, damit der Ausstieg von altgedienten Glencore-Managern das Unternehmen nicht in Gefahr bringt. Denn jetzt gilt die Regel, dass nur aktiv Beschäftigte ihre Anteile behalten dürfen. Wer austritt, wird ausbezahlt. Wenn die Generation um Strothotte, Geburtsjahr 1944, das Unternehmen verlässt, hätte das einen massiven Kapitalverlust zur Folge. Schon jetzt wurden sämtliche Abgangszahlungen von Ausscheidenden bis zum Januar 2012 verschoben.

Damit wäre es dann vorbei mit der Verschwiegenheit bei Glencore. Denn die Börsenregeln schreiben eine weitgehende Transparenz vor. Schon als Verwaltungsratspräsident von Xstrata – die auch börsenkotiert ist – muss Willy Strothotte mit seinem Grundsatz brechen und ein Bild im Jahresbericht abdrucken. Es scheint das einzige zu sein, das öffentlich zugänglich ist. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz / March 2, 2010)

source: http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Der-maechtigste-Manager-der-Schweiz/story/30161329

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